Funding phase

DISKRE

Bedeutung des Diskrepanzkriteriums zur Intelligenz für die Definition der Rechenstörung

Kinder unterscheiden sich im Grundschulalter sehr deutlich in ihren Rechenfertigkeiten. Wenn Kinder deutliche Schwierigkeiten beim Erwerb von Rechenfertigkeiten haben und den Leistungserwartungen nicht gerecht werden, stellt sich die Frage nach den Ursachen der Probleme. Im Rahmen einer professionellen Diagnostik wird dann in der Regel geprüft, ob es sich bei den Rechenproblemen um eine sehr eng umgrenzte Störung mit sehr spezifischen Leistungseinschränkungen handelt, die lediglich den Bereich des Rechnens betrifft, die sog. "Rechenstörung". Als "Rechenstörung" werden Schwierigkeiten beim Erwerb von Rechenfertigkeiten bezeichnet, die nicht auf Umweltbedingungen, Wahrnehmungsprobleme oder allgemeinen Begabungsmangel zurückzuführen sind. Dabei wird ein allgemeiner Begabungsmangel dadurch ausgeschlossen, dass nur dann eine "Rechenstörung" diagnostiziert wird, wenn die Rechenleistung deutlich niedriger ausfällt als das allgemeine kognitive Leistungsniveau. Bisher liegen allerdings kaum Hinweise darüber vor, inwiefern sich Kinder, bei denen diese Diskrepanz zwischen Rechenfertigkeiten und allgemeiner kognitiver Leistungsfähigkeit gegeben ist, von Kindern unterscheiden, bei denen man die Diskrepanz nicht findet.

Ziel des Projektes

Anhand mehrerer Experimente sollte untersucht werden, inwiefern sich Kinder mit unterdurchschnittlichen Rechenleistungen von Kindern mit durchschnittlichen/guten Rechenleistungen unterscheiden. Im Besonderen sollte geprüft werden, ob und inwiefern die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit Einfluss auf die Merkmale der Kinder mit unterdurchschnittlichen Rechenleistungen hat. Als Merkmale interessieren grundlegende numerische Kompetenzen, einfaches und fortgeschrittenes Rechnen, mathematisches Verständnis, die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Festigung des basalen arithmetischen Faktenwissens und das Arbeitsgedächtnis.

Forschungsdesign & Untersuchungsmethoden

Untersucht wurden Kinder mit unterdurchschnittlichen und Kinder mit durchschnittlichen/guten Rechenleistungen, wobei jeweils Untergruppen nach der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit gebildet wurden. Die Gruppen wurden in der Zeit um den Wechsel vom zweiten zum dritten Schuljahr anhand von standardisierten Tests zusammengestellt.

Einzelne Experimente wurden zu basisnumerischen Fähigkeiten, zu basalem arithmetischen Faktenwissen (z. B. zur Addition im Zahlenraum bis 20), zum mathematischen Verständnis, zum Arbeitsgedächtnis und zur Stabilisierung des basalen arithmetischen Faktenwissens durchgeführt.

Bisherige Ergebnisse

Die bisherigen Analysen zeigen dass die Kinder, die den Gruppen Rechenstörung und Rechenschwäche angehören, im Vergleich zu den Kontrollgruppen beträchtliche Schwächen beim einfachen Rechnen (z. B. Addieren im Zahlenraum bis 20) aufweisen, was auf Defizite bezüglich des basalen arithmetischen Faktenwissens hinweist (vgl. Busch et al., im Druck). Unterschiede zwischen Kindern mit Rechenstörung und denen mit Rechenschwäche ließen sich in diesem Merkmal (das zunehmend als Kernmerkmal betrachtet wird) jedoch nicht aufzeigen. Auch bei den Analysen zum Arbeitsgedächtnis zeigten sich keine spezifischen Defizite der Kinder mit Rechenstörung. Diese Befunde ergänzen die bisher spärlichen Publikationen zu hypothetischen Besonderheiten der Verursachung der Rechenstörung und liefern weitere Argumente, um das Diskrepanzkriterium zur Rechenstörung in Frage und weiterhin auf den Prüfstand zu stellen.

Analysen zu weiteren Merkmalen sind derzeit in Arbeit. Die Analysen sowie die anschließenden Veröffentlichungen erfolgen später als ursprünglich geplant, weil bei der Rekrutierung zu wenige Probanden gefunden wurden und erst ein Jahr später eine zweite Rekrutierungswelle unternommen werden konnte.

Kontakt

  • Prof. Dr. Dietmar Grube (Projektleitung)
  • Dipl.-Psych. Nonye Oranu
  • Dipl.-Psych. Jenny Preuk
  • Jenny Busch (Carl von Ossietzky Universität …)
  • Claudia Schmidt (Carl von Ossietzky Universität …)
  • Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
  • DISKRE

    Zur Bedeutung des Diskrepanzkriteriums zur Intelligenz für die Definition der Rechenstörung

    Die „Rechenstörung“ ist eine Diagnose für Kinder mit beträchtlichen Rechenschwierigkeiten, die auf eine hypothetische „biologische Fehlfunktion“ zurückgeführt werden. Diagnostische Leitlinien sehen vor, die Diagnose nur dann zu vergeben, wenn das Niveau der Intelligenz deutlich höher liegt als das Niveau der Rechenleistung (Niveau jeweils nach Altersnormen bestimmt). Mit diesem sogenannten Diskrepanzkriterium soll sichergestellt werden, dass ein niedrigeres Intelligenzniveau nicht die Ursache für die niedrige Rechenleistung ist. Obwohl das Kriterium der Diskrepanz zur Intelligenz bereits häufig kritisiert worden ist, liegen bislang nur wenige empirische Studien zu seiner Relevanz vor.

    Ziel des Projektes

    Um die Angemessenheit des Diskrepanzkriteriums zu überprüfen, wird im vorliegenden Projekt untersucht, welche besonderen Merkmale der Rechenstörung sich mit der Diskrepanz zur Intelligenz ergeben. Im Vordergrund stehen dabei basale Rechenfertigkeiten, die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses und die Sensibilität für Trainingsmaßnahmen.

    Forschungsdesign & Untersuchungsmethoden

    Neue computergestützte Methoden zur Diagnostik und zum Training grundlegender Rechenfertigkeiten werden entwickelt und in ihrer Wirksamkeit geprüft. In Kontinuität zur früheren ersten Phase des vorliegenden Projekts wird das Versuchsdesign mit Schülern und Schülerinnen ab dem dritten Schuljahr weitergeführt, in dem zwei Gruppen mit niedriger Rechenleistungen und zwei Gruppen mit mindestens durchschnittlicher Rechenleistung untersucht werden. Jeweils eine der zwei Gruppen umfasst Kinder mit niedrigerer Intelligenz, die andere Kinder mit durchschnittlicher Intelligenz (bei niedriger Rechenleistung mit Diskrepanz). Um die Persistenz von Rechenschwierigkeiten weiter zu explorieren, werden die Merkmale der Kinder einer früheren Kohorte im Längsschnitt weiter untersucht. Bei neu rekrutierten Gruppen von Drittklässlern und Drittklässlerinnen (gemäß dem oben genannten Design) wird ein computergestütztes Trainingsprogramm zu basalen Rechenfertigkeiten eingesetzt, um die differentiellen Wirkungen zu untersuchen. Die Untersuchung der Sinnhaftigkeit des Diskrepanzkriteriums zur Intelligenz für die Rechenstörung liefert wertvolle empirische Argumente für die aktuelle Diskussion um die Definition der Rechenstörung und die daraus resultierenden Prinzipien der Diagnostik. Die spezifischen Analysen einzelner Merkmale liefern Anhaltspunkte zur Identifikation der Kernproblematik einer Rechenstörung und für die Weiterentwicklung spezifischer Förderdiagnostik. Sollte sich eine Revision der Diagnosekategorie ‚Rechenstörung’ als sinnvoll erweisen, so kann dies zur Einführung von Fördermaßnahmen für einen höheren Prozentsatz an Schülern und Schülerinnen führen – eine Konsequenz, die dem Aufforderungscharakter empirischer Befunde (z. B. aus der IGLU-Studie) zur Quote von Kindern mit Defiziten im Bereich des Rechnens entgegenkommt. Die Entwicklung des Trainingsprogramms zum basalen Rechnen kann als Grundlage für die Entwicklung eines umfassenderen computerbasierten adaptiven Trainingsprogramms zum Rechnen genutzt werden, das später an Schulen systematisch eingesetzt werden kann. Der Wert der Ergebnisse der vorliegenden Studie ist unabhängig von einer potentiellen Revision der Konzeption der Rechenstörung.

    Kontakt

  • Prof. Dr. Dietmar Grube (Projektleitung)
  • Jenny Busch (Carl von Ossietzky Universität …)
  • Claudia Schmidt (Carl von Ossietzky Universität …)
  • Carl von Ossietzky Universität Oldenburg